Seit Frühling 2020 läuft in Washington D.C. die Gastro-Organizing-Kampagne
Shift Change DC. Fellow Worker Christian von der lokalen IWW erzählte uns darüber.
Ihr habt Shift Change DC vor anderthalb Jahren gestartet.
Wie ist der aktuelle Stand?
Die Kampagne läuft immer noch. In mehreren Bars und Restaurants in
Washington DC, aber auch in anderen Städten in der Gegend,
organisieren sich Kolleg:innen. Wie bei solchen
Bemühungen immer läuft es manchmal besser und manchmal
schlechter. Aber es geht weiter.
Erzähle doch ein bisschen über Shift Change DC.
Shift Change DC ist eine Organizing- Kampagne, die von der IWW
gestartet wurde. Wir organisieren aber nicht nur die Arbeiter:innen
eines bestimmten Unternehmens, sondern die Kampagne richtet sich an
die Gastronomie-Branche – und da an alle, die in diesem Bereich
arbeiten: Kellner:innen, Köch:innen, Barpersonal, Abwäscher:innen etc.
Die IWW ist aber wohl kaum die einzige Organisation,
die in diesem Bereich gewerkschaftlich aktiv ist …
Nein. Die größere Gewerkschaft, die sich hier zuständig erklärt,
ist die Service Employees International Union (SEIU).
Diese hat aber die gleichen Schwäche wie viele große
Gewerkschaften: sie versteht sich als Servicegewerkschaft.
Das heißt: Du zahlst deine Beiträge, und SEIU Vertreter:innen
verhandeln dann vielleicht mit deinem Boss, ohne dass
du jemals gefragt wirst, was du willst.
Ihr habt unter Lockdown Bedingungen begonnen …
Wir haben Shift Change DC kurz vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie
gestartet. Das bedeutete, dass wir sofort mit einer Ausnahmesituation
konfrontiert waren: Lockdowns, Sonderregelungen, Kampf um
Gefahrenzulagen und um die Einhaltung von Sicherheitsbestimmungen.
Das bedeutete aber auch, dass es für uns Möglichkeiten gab, zusammen mit
unseren Kolleg:innen Kleinigkeiten durchzusetzen und dadurch zu
zeigen, dass es sich lohnt, sich für die eigenen Interessen einzusetzen.
Kannst du Beispiele für solche Erfolge nennen?
Als die Bars und Restaurants im Sommer 2020 nach dem ersten
Lockdown wieder öffnen durften, gab es viele neue Regeln.
Dementsprechend mussten auch Abläufe neu organisiert werden.
In dem Restaurant, in dem ich damals arbeitete, ist es uns gelungen,
etwas Einfluss darauf zu nehmen. Oder wir konnten durchsetzen,
dass Schilder aufgestellt wurden, auf denen Gäste zum Maskentragen
aufgefordert wurden, sodass wir nicht jede:n Einzelnen darauf aufmerksam
machen mussten. Wie gesagt: Kleinigkeiten, die aber den beteiligten
Kolleg:innen gezeigt haben, dass wir etwas erreichen können,
wenn wir kollektiv auftreten. Und in einigen Betrieben ist es schließlich auch
gelungen bessere Bezahlung durch- zusetzen.
Wo siehst du die größten Schwierigkeiten, um auch größere Kämpfe gewinnen zu können?
Es gibt in dieser Branche wenig Kontinuität. Viele Leute wechseln oft
den Job und arbeiten deshalb in der Regel nur kurz in einem
Unternehmen. Hinzu kommt, dass viele diesen Job nur als
„Übergangsjob“ sehen und so schnell wie möglich in eine andere Branche
wechseln wollen – eben weil die Arbeitsbedingungen so schlecht sind.
In den Küchen arbeiten zudem oft Menschen mit Migrationshintergrund,
und viele von diesen haben gar keine oder nur befristete Auf- enthaltsgenehmigungen.
Diese Kol- leg:innen verhalten sich natürlich besonders vorsichtig an ihren
Arbeitsplätzen. Das alles erschwert längerfristige Organisierung, die aber
die Voraussetzung dafür ist, dass wir Verbesserungen durchsetzen können.
Welche Tipps kannst du Menschen geben, die sich an ihrem
Arbeitsplatz organisieren wollen – ob in der Gastro oder
anderswo?
Beginne damit, mit deinen Kolleg:innen zu reden.
Finde heraus, was ihnen nicht gefällt an ihrem
Arbeitsplatz. Sprich mit ihnen darüber, was dir nicht gefällt.
So werdet ihr schnell auf Dinge kommen, die euch allen nicht passen,
wo ihr aber vielleicht Möglichkeiten seht, diese zu ändern. Finde heraus,
wie die Verhältnisse in deinem Betrieb sind:
Gibt es Konflikte zwischen Angestelltengruppen, und
wenn ja, worin bestehen die? Wie ist das Verhältnis zwischen mittlerem
und höherem Management? Gibt es da vielleicht Möglichkeiten, sich
bestehende Spannungen zunutze zu machen für die eigenen Anliegen?
Das Wichtigste ist aber, relativ bald einen kleinen Sieg feiern zu können.
Auch wenn es noch so ein winziges Anliegen ist – die Erfahrung, etwas
durchzusetzen, ist für die meisten unglaublich motivierend sich weiter
zu organisieren. Für einen ersten Erfolg reicht es oft, wenn ein paar
Kolleg:innen miteinander sprechen, ein Problem identifizieren und dann
zum Boss gehen und sagen: „Hey, das gefällt uns nicht, können wir das
anders machen?“ Wenn so etwas gelingt, hat man einen Anknüpfungspunkt
für weitere Forderungen.
Infos:
fb.com/shiftchangedc
Twitter: @shiftchange_DC
Insta: @shiftchange_DC
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